Austritt des DPV
Das Präsidium und der HAS des DTV bedauern ausdrücklich die
Entscheidung des DPV. Die Gründe für diesen Schritt sind nicht
nachvollziehbar. Ebenso wenig ist erklärbar, warum der DPV der
Bitte des gesamten HAS nicht entsprochen hat, vor einer
Veröffentlichung der Entscheidung in Gesprächen mit dem
DTV-Präsidium seine Argumente darzulegen und zu versuchen, eine
einvernehmliche Lösung für den Erhalt der Einheit des Tanzsports in
Deutschland zu finden.
Zu einer ausführlichen Stellungnahme bitte
Zum Austritt des DPV
Zu der Erklärung des DPV aus dem DTV auszutreten, gibt das
Präsidium des DTV folgende Stellungnahme ab:
1. Beim diesjährigen General Meeting der IDSF wurde auf
Vorschlag des Präsidiums von den Mitgliedern mit satzungsändernder
Mehrheit beschlossen, innerhalb der IDSF eine sog. "Professional
Division" zu gründen. Das heißt konkret, dass die Statuten der IDSF
entsprechend geändert wurden.
2. Ein Antrag, mit dem WDC Gespräche über eine Zusammenarbeit
zu führen, wurde mit großer Mehrheit abgelehnt.
3. Der DTV hat sich bei diesem wie auch den vorangegangenen
Meetings und auch darüber hinaus stets für eine Fortsetzung der
Gespräche mit WDC eingesetzt und für eine Vereinbarung mit WDC
ausgesprochen. Dieser konstruktiven Haltung hatten sich in letzter
Zeit zwar mehr und mehr Mitgliedsnationen angeschlossen,
ausreichende Mehrheiten gab es dafür beim General Meeting
allerdings nicht.
4. Über das Ergebnis der Satzungsänderungen der IDSF wurde in
der Folgewoche auf dem DTV-Verbandstag berichtet. Insbesondere
wurde mit dem DPV vereinbart - und auf dem Verbandstag auch
öffentlich verkündet - dass wir, DTV und DPV, nun gemeinsam darüber
beraten müssen, welche Auswirkungen diese Satzungsänderungen auf
die Situation in Deutschland haben werden und wie wir gemeinsam
einen Weg finden, um die über Jahre gewachsene gute - und
international von vielen Verbänden als vorbildlich angesehene -
Zusammenarbeit fortsetzen zu können.
5. Anlässlich der GOC in Stuttgart waren Michael Eichert und
Franz Allert zur Sitzung des DPV-Präsidiums eingeladen, um die
Einschätzungen und ersten Überlegungen des DTV darzulegen, die des
DPV-Präsidiums zu hören und gemeinsam über die nächsten Schritte zu
diskutieren. Dabei wurde seitens des DTV deutlich gemacht, dass
zwar die Satzung des DTV angepasst werden muss, da sie nicht im
Widerspruch zur Satzung des übergeordneten Verbandes, also der
IDSF-Satzung, stehen darf, dass dies aber erst beim DTV-Verbandstag
2012 erfolgen könne und wir bis dahin gemeinsam besprechen und
regeln können, wie sich künftig eine "Professional Division" in
Deutschland gestalten könne.
6. Bei dem Gespräch mit dem DPV-Präsidium in Stuttgart
bestand Einvernehmen, dass wir:
- vermeiden müssen, dass es künftig in Deutschland zwei
Verbände für Professionals gibt,
- keine zwei Deutschen Meisterschaften für Profipaare wollen,
- allen Profipaaren - egal, ob sie über das DTV-Mitglied DPV
für WDC starten oder Mitglied einer IDSF PD werden wollen - die
Möglichkeit eröffnen und erhalten müssen, an allen Turnieren, denen
des WDC und denen der IDSF PD, zu starten.
7. Um den Paaren diese Möglichkeit zu geben bzw. zu erhalten,
hat der DTV vorgeschlagen, als passives Mitglied in die IDSF PD
einzutreten, damit die Mitglieder des DPV - so sie es wünschen -
über dieses Konstrukt alle Turniere tanzen können.
8. Zu den Fragen einer künftigen Professional Division (DPV
in jetziger oder anderer Form der Mitgliedschaft, Einbindung in die
derzeit diskutierte neue DTV-Struktur, rechtliche Fragen bei
organisatorischen Veränderungen etc.) sollten weitere Gespräche in
den nächsten Monaten folgen, da hier unterschiedliche Ideen
vorhanden waren und rechtliche Rahmenbedingungen beachtet werden
müssen, die noch nicht Gegenstand der ersten Gespräche waren und
auch nicht sein konnten.
9. In der Diskussion wurde sehr deutlich, dass der DPV großes
Interesse hatte, selbst offizielle "Professional Division" des DTV
zu sein oder diese "zu verwalten", möglichst in der bisherigen
selbständigen Organisationsform. Neben rechtlichen Fragen war aber
u.a. noch völlig offen, wie WDC auf die Veränderung der
internationalen Situation reagieren würde und welche rechtlichen
und tatsächlichen Restriktionen der DPV seitens WDC zu erwarten
hätte, wenn er - in welchem rechtlichen Konstrukt auch immer -
diese Aufgabe übernehmen würde. Auch um diese für den DPV sehr
essentielle Frage zu klären, wurde eine Passivmitgliedschaft des
DTV in der IDSF PD als vorübergehende Lösung für sehr geeignet
erachtet. Sie entspricht auch in etwa dem Konstrukt der
Mitgliedschaft des DPV im WDC, nämlich über den ADTV als
Dachverband.
10. Alle Teilnehmer waren sich einig, dass hinsichtlich einer
endgültigen Lösung kein Zeitdruck besteht, die Zeit bis zum
DTV-Verbandstag 2012 aber auch intensiv genutzt werden müsse.
11. Für den DTV war nun der nächste Schritt, den HAS auf der
folgenden Sitzung, also der Sitzung Ende Oktober, über diesen
Sachstand zu informieren. Hierzu stand - neben anderen IDSF-Themen -
auch "Beitritt des DTV zur IDSF PD" auf der Tagesordnung. Ziel war
es, gemeinsam - mit dem HAS-Mitglied DPV ! - über die Situation und
den konkreten Vorschlag zu beraten. Es war weder ein
Beschlussvorschlag formuliert noch eine Entscheidungsvorlage
erarbeitet!
12. In der Sitzung des HAS hat dann der Vizepräsident des
DPV, Rudi Trautz, die auf der Internetseite des DPV veröffentlichte
Erklärung zum Austritt des DPV aus dem DTV verlesen, wünschte noch
einen guten Verlauf der Beratungen, stand auf und wollte den Raum
verlassen. Vorausgehende Gespräche, schriftliche Äußerungen oder
sonstige Hinweise, die auf einen beabsichtigten Austritt hätten
schließen lassen, gab es nicht.
13. In der sich anschließenden Diskussion im HAS, zu der Rudi
Trautz auf ausdrückliche Bitte dann blieb, wurde seitens des
DTV-Präsidenten, des DTV-Sportwarts und mehrerer Mitglieder des HAS
nicht nur die Überraschung über Inhalt und Form der Erklärung zum
Ausdruck gebracht, sondern auch deutlich gemacht, dass die
langjährige, gute und allseits anerkannte gemeinsame Arbeit nicht
einseitig aufgekündigt werden dürfe. Sollte es Missverständnisse
oder unterschiedliche Auffassungen geben, müssten diese besprochen
und Lösungen gefunden werden.
14. Präsidium und HAS haben einvernehmlich an Rudi Trautz
bzw. den DPV appelliert, diese mündlich vorgetragene Erklärung
(noch) nicht zu veröffentlichen, sondern zunächst in Gesprächen mit
dem DTV-Präsidium die aus Sicht des DPV bestehenden Probleme zu
benennen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Der HAS hat das
Präsidium gebeten, aus diesem Grund ebenfalls zunächst auf eine
entsprechende Information (der Text der Erklärung lag dem DTV nicht
vor) zu verzichten, um mögliche Gespräche nicht zu belasten.
15. Versuche, den DPV-Präsidenten, der sich an diesem
Wochenende zu einer Turnierveranstaltung in Moskau aufhielt,
telefonisch zu erreichen, waren nicht erfolgreich. Karl Breuer
wurde vom DTV-Präsidenten jedoch per sms und per Mail kontaktiert,
in der nochmals ausdrücklich angeboten wurde, gemeinsam nach
Lösungen und Wegen zu suchen. Im Ergebnis erfolgte am Dienstag etwa
zeitgleich mit der Veröffentlichung der Erklärung auf den Seiten
des DPV eine Antwortmail an den DTV-Präsidenten, in der nochmals
mitgeteilt wird, dass der DPV aus seinem Selbstverständnis heraus
die neue Politik nicht mittragen könne und deshalb den Beschluss
zum Austritt gefasst habe. Auf das Angebot von DTV-Präsidium und
HAS wird überhaupt nicht eingegangen.
Ich habe mit der vorstehenden Darstellung versucht, möglichst
emotionsfrei den zeitlichen und inhaltlichen Ablauf der Gespräche
zu dokumentieren. Selbstverständlich muss dieser Schritt aber auch
kommentiert werden.
Die Entwicklung der letzten Jahre im internationalen
Tanzsport ist geprägt von einer zunehmenden Schärfe in der
Auseinandersetzung zwischen WDC und IDSF. Die Gründung des IPDSC
(International Professional Dance Sport Council - dem der DTV nie
beigetreten ist!) als rechtlich selbständiger, aber faktisch mit
der IDSF verbundener Konkurrenzverband zum WDC auf der einen Seite
und der Gründung einer Amateur League des WDC und die Unterstützung
von internationalen Amateurverbänden im Tanzsport seitens WDC auf
der anderen Seite haben neben persönlichen Streitigkeiten zu einer
immer stärkeren Kluft zwischen beiden Verbänden geführt.
Konfrontation statt Kooperation, Macht statt Mäßigung bilden
offenbar die Leitlinie allen Handelns. Natürlich haben beide
Verbände auch inhaltliche Argumente. Aber die, so hat es den
Anschein, sind längst zum Instrument im Kampf um Macht, Anerkennung
und wirtschaftliche Ziele geworden.
Der DTV hat dabei immer auf Kooperation gesetzt. Das beste
Argument in den längst auch emotional geführten
Auseinandersetzungen ist, "ein gutes Beispiel zu geben". Das "
System DTV" mit seiner Zusammenführung von Tanzsportverbänden unter
einem Dach unter Einbeziehung des Profiverbandes und das gute
inhaltliche und persönliche Verhältnis der verantwortlichen
Personen war die beste Basis für den Erfolg - und damit stets ein
solches "gutes Beispiel". Hierfür wurden wir im Ausland beneidet.
Das "Memorandum of Cooperation" zwischen WDC und dem DTV machte
darüber hinaus deutlich, dass es auch möglich war, Deutschland von
der in fast allen Ländern einsetzenden Spaltungstendenz
auszunehmen. Dem immensen persönlichen Druck, dem ich mit Übernahme
des Amtes und bei Aufnahme der Gespräche mit dem WDC ausgesetzt
war, habe ich widerstanden, weil ich der Ansicht war - und
weiterhin bin -, dass die Gründung weiterer Verbände und die
Ausgrenzung der WDC-Tanzsportler für die Entwicklung des Tanzsports
schädlich ist. Diese Einschätzung wurde zwar auch in vielen
Gesprächen mit Funktionsträgern anderer IDSF-Mitglieder von diesen
geteilt, aber es spiegelte sich in den Abstimmungen bei den General
Meetings der IDSF nicht wider. Der DTV hatte aufgrund seiner
Stellung und seines Einflusses trotz zahlreicher anderslautender
Beschlüsse der IDSF in vielen Bereichen eine von anderen oft Zähne
knirschend akzeptierte Sonderstellung (z.B. WDC World Series
Turniere und IDSF Grand Slam Turniere innerhalb der GOC). Alles vor
dem Hintergrund und mit dem Argument einer historisch gewachsenen
und funktionierenden Zusammenarbeit zwischen DTV und DPV als dessen
Mitglied.
In der IDSF haben wir unsere - und auch ich persönlich meine -
Überzeugung öffentlich wie in bilateralen Gesprächen vertreten. Es
gibt unterdessen auch schon eine Reihe von Mitgliedsverbänden der
IDSF, die unsere Ansichten zur Einheit des Tanzsports unter
Einbeziehung von WDC teilen und dies auch praktizieren. Aber es
sind zu wenige. Satzungsändernde Mehrheiten fehlen. Eine deutliche
Mehrheit hat sich für einen anderen Kurs ausgesprochen und die
Satzung der IDSF entsprechend geändert. Man kann dies für falsch
halten, aber man kann es auch nicht ignorieren: Es ist die
Mehrheit. Und es gehört zu einem demokratischen Miteinander, dass
man diese Mehrheiten auch akzeptiert und sich danach richtet,
solange es nicht gelingt, andere Beschlüsse herbeizuführen.
Wenn die internationale Entwicklung zu einer veränderten
Situation führt und auch nicht erkennbar ist, dass sich in
absehbarer Zeit eine Umkehr abzeichnet, muss man auf nationaler
Ebene die Auswirkungen analysieren und die notwendigen
Handlungsmöglichkeiten eruieren. Wenn man Partner hat, macht man
dies gemeinsam. Unterschiedliche Vorstellungen und Sichtweisen,
rechtliche und tatsächliche Probleme bleiben da nicht aus. Wenn der
ernsthafte Wille vorhanden ist, zu einer Lösung zu kommen, ist dies
auch möglich. Aber der Wille dazu muss eben auch vorhanden sein.
Was bedeutet der Austritt des DPV nun konkret? Hinsichtlich
der Mitgliederzahl des DTV: nichts. Hinsichtlich des Sportbetriebs
im DTV: nichts. Hinsichtlich der Bedeutung des DTV im DOSB: nichts.
Hinsichtlich der Förderung des Amateurtanzsports: nichts. Also kein
Grund zur Aufregung? Nun, Profitanzsportler gehören nicht mehr zur
Familie des Sports in Deutschland, da sie außerhalb des DOSB sind.
Die Folgen davon werden sich noch auf verschiedenen Gebieten
zeigen. Für die Idee eines "Tanzsports ohne Grenzen", für die Idee
der "Einheit im Tanzsport" ist die DPV-Entscheidung ein Desaster.
Denn das international immer verwendete starke Argument, dass die
Zusammenarbeit zwischen WDC und IDSF auf nationaler Ebene
funktioniert, ist nun weg. Der DTV ist als Fürsprecher einer
Zusammenarbeit nun durch den Schritt des DPV unglaubwürdig
geworden. Warum will der DPV dieses Signal nun aussenden - nach all
den Jahren?
Aber vor allen Dingen geht es ja um die Paare! Wer Profi
werden will, kann sich entscheiden, ob er bei der IDSF PD oder bei
WDC Mitglied werden will. Das geht aber nur, wenn auch der DTV eine
Professional Division hat. Da der DPV ausgetreten ist, muss nun
wohl eine solche PD im DTV gegründet werden - ohne DPV. Das war
anders gedacht! Zwangsläufig wird es nun zwei Profiverbände statt
einem auch in Deutschland geben. Ausgelöst durch die Entscheidung
des DPV wird sich nun auch bei uns die Tanzsportwelt mit all ihren
Folgen im Wertungsrichter- und Trainerbereich mehr und mehr
auseinander entwickeln. Wer etwas anderes erwartet, ist
realitätsfern. Natürlich hat sich dies alles seit langer Zeit
angedeutet - aber wir haben in Deutschland gemeinsam dieser
Entwicklung widerstanden. Mehr als bedauerlich, dass der DPV ohne
Gespräche und wirkliche Erklärungen nun plötzlich diese gemeinsame
Basis verlassen hat und Gesprächsangebote nicht annimmt - und wohl
auch noch beginnt, im DTV den Schuldigen zu suchen. Es war offenbar
eher der Druck von WDC, wo ja bereits ein Beschluss vorliegt, dass
Mitglieder nicht zwei Organisationen angehören dürfen. Das wollten
wir im DTV ja auch elegant lösen. Aber dazu braucht man eben Kraft
und Willen zur Gemeinsamkeit. Das fehlte wohl dem DPV - Schade!
Aber vielleicht siegt ja noch die Vernunft und das Angebot des DTV
wird doch noch angenommen: Für den Profi-Tanzsport der Zukunft wäre
es gut!
Franz Allert
Präsident DTV
von Daniel Reichling Uhr